Fraktionserklärung: Gemeinsam sind wir stark!

Krisen sind für die Gesellschaft immer ein Augenöffner und bringen zwangsläufig einen Perspektivenwechsel.  Haushalten und Familien, die sich von Monatslohn zu Monatslohn kämpfen, aber auch Gewerbetreibenden von ganzen Branchen, welche über kein finanzielles Polster verfügen, ist die Existenzgrundlage abrupt entzogen. Frauen und Kinder, welche es vorher schwer zu Hause hatten, weil Gewalt den Alltag lähmte, sind noch mehr auf sich alleine gestellt. Flüchtlinge, welche irgendwo auf ihrer Route gestrandet sind und nicht weiterkommen, sind noch mehr vergessen als früher. Erst das Besuchsverbot in Alters- und Pflegeheimen hat uns alle daran erinnert, dass schon vorher viele einsam waren. Erst die Schliessung der Volksschule hat uns alle ermahnt, dass Bildung in erster Linie Chancengerechtigkeit bedeutet. Erst die aktuelle Diskussion um den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmenden hat gezeigt, dass dieser in vielen Branchen und Berufen auch in normalen Zeiten ungenügend gewürdigt wird.

 

Der Stadtrat hat durch die Notlage zusätzliche Kompetenzen bekommen und hat diese auch genutzt. So hat er den Selbständigerwerbenden und Kleinstunternehmern – und zwar direkt wie auch indirekt Betroffenen – schnelle und unbürokratische Nothilfebeiträge gesprochen. Dies soll aber nicht die letzte Massnahme sein, denn das Gewerbe muss in dieser Krise weiter unterstützt werden so mit einer Erhöhung des Budgets für wirtschaftliche Sofortmassnahmen und mit einer Ausdehnung der Nothilfe auf Kleinunternehmen. Der Mieterlass für das direkt betroffene Gewerbe ist ein erster Schritt. Dieser Mieterlass muss nun auch auf indirekt Betroffene ausgedehnt werden. Und es wird auch hier nicht die letzte Massnahme sein. Denn nun muss allen klar sein, dass Gewerbefläche eine Voraussetzung ist für unser Wirtschaften und darum bezahlbar und fair vermietet sein muss. Bei den Kitas hat die Stadt schon früh Hilfe zugesichert – nun hat der Kanton nachgezogen. Dies ist wichtig, damit die über Jahre aufgebaute Infrastruktur erhalten bleibt. Gleiches gilt auch für die Gastro-, Club- und Barszene, welche verstärkt unterstützt werden muss z.B. durch gezielten Gebührenerlass. Wir können festhalten, dass der Stadtrat schnell und richtig gehandelt hat. Er hat unsere volle Unterstützung, um dies fortzuführen und auszubauen. Denn jeder Franken, der jetzt als Brücke ausgegeben wird, jede Massnahme, welche beherzt ergriffen wird, werden wir später nicht um ein Vielfaches als Sozialleistungen ausgeben müssen.

 

Sind nun diese Hilfen der Anfang eines bedingungslosen Grundeinkommens? Die Krise zeigt uns, dass auch wenn individueller Ansporn eine wichtige wirtschaftliche Kraft ist, diese sich nur in Wechselwirkung mit allen entfalten kann. Was „bedingungslos“ ist, muss angesichts dieser Krise neu gedacht werden. Wer also einen Seuchensozialismus befürchtet, hat nicht verstanden, dass Krisen, wenn sie sozialen Fortschritt bringen, eine Gesellschaft schliesslich immer gestärkt haben. Frühere Krisen haben wichtige Institutionen des Sozialstaates hervorgebracht, diese wird es sicher auch: vielleicht diesmal insbesondere für Selbständigerwerbende.

 

Wer bezahlt das? Wir alle. Das ist die Idee eines solidarischen Staates. Drastische Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie wurden ergriffen. Wieso haben wir das gemacht? Um uns alle zu schützen, und weil es unserem Selbstverständnis als Gesellschaft entspricht, dass uns, wenn wir ins Spital eingeliefert werden, auch geholfen wird und wir nicht alleingelassen sterben. Wir hatten Glück, das Gesundheitssystem hat bis jetzt Stand gehalten. Und trotzdem ist unser Gesundheitssystem herausgefordert worden. Und auch dort waren es in erster Linie die Menschen: Das Gesundheitspersonal, das in 12-Stunden-Schichten mit allzu kurzen Pausen ohne Gefahrenzulage die Stellung gehalten hat. Verzweifelt hat man diejenigen zurückgerufen, welche einmal diesem System den Rücken zugewandt haben – meist aus Stress und Überlastung. Wir müssen jetzt daher nicht nur Applaus schenken, sondern die Dankbarkeit in zukünftig bessere Arbeitsbedingungen umsetzen. Und indem dem Personal sofort rückwirkend eine Einmalzulage für seinen Sondereffort ausbezahlt wird. Das gilt auch für die anderen systemrelevanten und meist schlecht bezahlten Jobs z.B. in der Betreuung, in der Logistik und im Detailhandel.

 

Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns können aktuell nur schwer abgeschätzt werden.  Die finanziellen Auswirkungen auf die Stadt werden aber sehr gross sein und die Herausforderungen ebenso. Das Eigenkapital, das noch letztes Jahr die Steuerfussdiskussion angeheizt hat, gibt uns heute den nötigen Spielraum. Denn: Die Stadt ist gerade in Krisenzeiten für die Menschen da. Wir sind alle gemeinsam am 16. März in diese Krise gestartet und werden auch gemeinsam den Weg zu Ende gehen. Und es geht dann nicht darum, den vermeintlich einfachsten Weg zu gehen – Grenzen zu schliessen, die Schwächsten aus der Gesellschaft auszuschliessen. Sondern es geht dann darum, wie man als Gesellschaft stärker und solidarischer wird.

 

Den Kindern wird dieses Jahr kein Zeugnis ausgestellt. Unserer Gesellschaft wird später aber sicherlich ein Zeugnis ausgestellt werden. Bewertet werden dabei Hilfsbereitschaft, Gemeinsinn, Wertschätzung und Solidarität.

 

Ein grosser Dank geht an die Lehrpersonen, das Pflegepersonal und die städtische Verwaltung für ihren grossen Einsatz. Wir als Parlament sind in Zeiten des allgemeinen Versammlungsverbots eine wichtige Öffentlichkeit. Wir müssen aber auch unsere normalen Aufgaben wahrnehmen und die Geschäfte, welche das Übermorgen betreffen, jetzt behandeln. Auch wenn die Aussicht noch neblig ist und schwer auf uns lastet, dürfen wir zuversichtlich sein, wenn wir uns alle als eine Gemeinschaft verstehen.

 

Weitere Auskünfte:

Davy Graf, Fraktionspräsident, Tel. 079 307 19 86

 

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